Aveiro, 13. Juni 2010. Die Arbeitnehmer in Europa zahlen nun für die Krise, die sie nicht verursacht haben, so ein Fazit des Seminars „Neue und bessere Jobs in Europa"  der portugiesischen LOC/MTC in Aveiro, das vom Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) und der EU-Kommission im Rahmen des "Sozialen Dialogs" unterstützt wurde. Unter Beteiligung von Arbeitnehmerorganisationen aus Portugal, Spanien, Deutschland, Frankreich und Polen stand ursprünglich die Fragestellung im Mittelpunkt, wie auf dem Hintergrund der anhaltenden Arbeitslosigkeit neue und gute Jobs geschaffen werden können.
 
Doch überschattet von der tief greifenden Finanzkrise in Europa, das wurde in dem Seminar sehr deutlich, sind gravierende Auswirkungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa zu befürchten. Denn derzeit verordnen die europäischen Regierungen, gleich welcher Couleur, unter dem Druck der Märkte und des Internationalen Währungsfond (IWF) drastische Spar- und Sanierungsprogramme.
 
 
„Nun zahlen die Arbeitnehmer in Europa die Zeche", so Wilfried Wienen vom KAB Grundsatzreferat in seinem Vortrag. „Wie sollen die Ökonomien aus der Krise kommen, wenn sich die EU-Mitgliedsländer kaputt sparen und kein Geld mehr für öffentliche Aufgaben da ist? Wie sollen Menschen wieder in Arbeit kommen, wenn Eingliederungsmaßnahmen für Arbeitslose zusammengestrichen werden, Umschulungsprogramme für Arbeitnehmer in alten Industrie- und Dienstleistungsbereichen nicht mehr finanzierbar werden können und der notwendige ökologische Umbau der Industriegesellschaften gestrichen wird?", so der Europaexperte der KAB.
Gutes Beispiel für einen gelungenen Umbau der Industriegesellschaft biete gerade Aveiro, als eine europäische Hochtechnologieregion, wie sich dieTeilnehmer/innen des Seminar beim Besuch des amerikanischen Chemieriesen DOW dann auch überzeugen konnten.
 
Die Regierungsrezepte zur Sanierung der Staatsfinanzen glichen sich beinahe bis auf Haar, so das Fazit des Seminars, sie entstammten dem neoliberalen Lehrbuch und hätten den gleichen Tunnelblick: Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst, Anhebung der Verbrauchsteuern bzw. höhere Steuern für die breite Mehrheit der Bevölkerung, Reduzierung der Sozialausgaben, faktische Kürzung der Renten. Die Sparwut der Regierungen werde auch noch unter Anleitung der EU-Kommission weiter geschürt, da die sich beispielsweise für eine langfristige Anhebung des Rentenalters auf siebzig Jahre ausgesprochen habe.
 
Wer besteuert die Reichen?

Eine Steigerung der Staatseinkünfte durch eine höhere Besteuerung der Reichen ist kaum irgendwo vorgesehen, beklagte Professor Daniel Navas Vega aus Turin. Nur auf der Iberischen Halbinsel würden sie ein wenig zur Kasse gebeten. In Portugal sollen Unternehmen auf alle Gewinne eine Krisensteuer von 2,5 Prozent bezahlen, in Spanien denkt die Regierung darüber nach, die Vermögenssteuerwieder einzuführen, die sie 2008 erst abgeschafft hat. Dabei wäre bei den Reichen einiges zu holen und das nicht nur alleine durch eine Bankenabgabe und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Aber, das komme in den neoliberalen Lehrbüchern nicht vor, so Professor Navas Vega.