Mitteilung
Burgos, den 19. Februar 2013. Der Führungskreis der katholischen Arbeitnehmerbewegung Portugals LOC/MTC (Liga Operária Católica - Movimento de Trabalhadores Cristãos) und die ständige Kommission der spanischen katholischen Arbeitnehmerbewegung HOAC (Hermandad Obrera de Acción Católica) haben ihre jährliche Koordinationssitzung zwischen dem 17. und 19. Februar 2013 in Burgos abgehalten. Hier wurden Informationen über Leben und politisches Engagement der Männer und Frauen beider Bewegungen und die Untersuchungsergebnisse zur Situation in der Arbeitswelt vom kirchlichen Standpunkt beider Länder ausgetauscht.
Folgende Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in beiden Ländern bildeten den Ausgangspunkt:
- Die hohe Arbeitslosigkeit, die im Laufe des vergangenen Jahres noch gestiegen ist und, wie wir leider erkennen müssen, auch weiter ansteigen wird.
- Die jüngsten Arbeitsreformen haben uns nicht vor der weiteren Zerstörung von Arbeitsplätzen bewahren können, sondern zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, zu Arbeitsplatzunsicherheit und Rückschlägen bei den Kollektivverhandlungen geführt.
- Schlechte Löhne und Gehälter, oftmals Hungerlöhne, haben zur Folge, dass es immer mehr Fälle von Armut unter der Arbeitnehmerschaft gibt, obwohl sie arbeiten.
- Diskreditierungskampagnen gegen Arbeitnehmerorganisationen.
- Die Kaufkraft der Arbeiter und Angestellten nimmt ab, was dazu führt, dass häufig die Mittel für einen angemessenen Lebensstandard fehlen.
- Die Anzahl der Gewaltverbrechen ist gestiegen und Unsicherheit und Zukunftsängste sind gewachsen.
- Tausende von qualifizierten jungen Leuten aus beiden Ländern, sehen sich dazu gezwungen in andere Länder abzuwandern und auf der Suche nach einer Zukunft ihre Heimat und Familien zu verlassen.
Was wir zurzeit erleben, lässt keinen Zweifel offen: In der Art, wie wir unser gesellschaftliches Leben regeln, steht nicht der Einzelne im Mittelpunkt der Gesellschaft: Nicht der Mensch ist wichtig, sondern der wirtschaftliche Profit.
Die Folgen liegen auf der Hand. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, besonders schwache und aus der Gesellschaft ausgegrenzte Menschen und ganze Familien, sind die eigentlichen Opfer der Krise. Die kürzlich bekanntgewordenen Korruptionsfälle in verschiedenen Wirtschaftsorganisationen und Parteien, sind eine Enttäuschung für die Gesellschaft. Hunger, Depressionen, Fälle von Selbstmord, usw., sind die schmerzlichen Folgen, die Ihre Ursachen in einem von Grund auf ungerechten, barbarischen, neoliberalen, kapitalistischen Sozial- und Wirtschaftssystem haben, und das nicht mit Gottes Plan von einer Welt der Brüderlichkeit vereinbar ist. Die Kirche ist in diesem Zusammenhang sehr deutlich und sagt es im Katechismus so: “Händler, die durch wucherische und profitgierige Geschäfte ihre Mitmenschen hungern und sterben lassen, begehen indirekt einen Mord; für diesen sind sie verantwortlich.” (KKK, §2269)
Die Privatisierungs-, und Sparpolitik, auferlegt von der Europäischen Union und den Wirtschafts- und Finanzmächten, und denen sich unsere Regierungen uneingeschränkt gefügt haben, haben die Probleme unseres Staatshaushaltsdefizits und der Schuldenzahlungen nicht gelöst. Wir glauben, dass die Hauptursachen für die rasant wachsende Verarmung von einzelnen Menschen und ganzen Familien, in den politischen Entscheidungen und deren Folgen zu finden sind.
Diese Tatsache führt uns zu der Frage, was für ein Europa wir heute haben, und was für ein Europa wollen und müssen wir eigentlich errichten. Wollen wir ein in arme und reiche Länder geteiltes Europa? Wollen wir ein Europa, in dem soziale Rechte, die mühevoll im Laufe der Geschichte von der Arbeiterbewegung, von vielen Frauen und Männern, durchgesetzt worden sind, nicht mehr respektiert werden? In der jetzigen sozialen Wirklichkeit herrscht auf jeden Fall viel Leid und Schmerz.
Viele Menschen haben das Bedürfnis zu erleben, dass sich die Dinge ändern können und dass ihr Leben und das ihrer Familien, in einer anderen Weise gestaltet werde kann. Sie wollen spüren, dass Brüderlichkeit und Gemeinschaft das Fundament für zwischenmenschlichen Beziehungen und die Gesellschaft bilden. Sie wollen die Gewissheit, dass das politische Gefüge, die Institutionen, die Gesetze und die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf das Wohl der Gemeinschaft ausgerichtet sind. Sie wollen Herr über ihr eigenes Leben sein.
In Wirklichkeit brauchen diese Menschen - brauchen wir – die Verkündung einer Frohen Botschaft an die Bedürftigen. Wir glauben, dass es für viele Familien in der aktuellen Situation einer sofortigen Lösung bedarf, aber wir können uns mit den Lösungen nicht zufrieden geben. Wohltätigkeit braucht Gerechtigkeit um in wahrer Nächstenliebe zu münden. Wir müssen den Ursachen der Verarmung nachgehen, um diese zu bekämpfen und versuchen, den Prozess schrumpfender sozialer Rechte und die Zerstörung der Demokratie, wieder rückgängig zu machen.
Als kirchliche Arbeiter- und Angestelltenbewegung, wollen wir die Frohe Botschaft unseres Herrn Jesus Christus im Hinblick auf die heutige Situation verkünden und leben. Von unserem christlichen Bewusstsein ausgehend, fragen wir uns, was zurzeit mit der Gesellschaft und dem politischen Einsatz passiert, die weit davon entfernt sind, auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, und stattdessen für Armut und Verunmenschlichung verantwortlich sind.
Trotz alledem müssen wir deutlich sagen, dass eine andere Politik möglich und nötig ist. Jesus von Nazaret hält ein ums andere mal im Evangelium dazu an, an der Seite der Bedürftigen zu stehen, sie zu sehen und uns denen zu nähern, die an der Straße sitzen (Lk 18, 35). Und darum wollen wir im Hinblick auf das Evangelium verkünden, dass die Errichtung einer sozialen, mitmenschliche Gesellschaft und die Entwicklung von mehr politischem Engagement möglich sind, wodurch wirklich alle Frauen und Männer in den Mittelpunkt der Gesellschaft rücken, der Mensch an erster Stelle steht würde. Und das bedeutet, dass wir unser persönliches und gesellschaftliches Leben, die politischen Anstrengungen, auf die Gemeinschaft und die Bedürfnisse der Bedürftigen ausrichten. Gott steht hierzu an unserer Seite.
Viele Initiativen, die von einzelnen Personen und sozialen, politischen und gewerkschaftlichen Organisationen ausgehen, zeigen uns die Möglichkeiten, wie man auf eine andere Art unsere Wirklichkeit durch politisches Engagement formen kann. Ein Wandel der Gesellschaft ist also möglich. Zusammen mit dem Prozess der Verelendung und Entmenschlichung wird aber auch Platz für mehr Solidarität, für Aufbruch und Hoffnung geschaffen. Wir, die Bewegungsmitglieder, wollen auch weiterhin allen Menschen und ihrem Schicksal Aufmerksamkeit schenken, indem wir die Kraft des Heilands feiern und leben und uns für einen Umbruch in der Welt der Arbeiter und Angestellten engagieren.