Herr Präsident der Internationalen Arbeitskonferenz,
verehrte Vertreter der Regierungen,
der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerorganisationen!
Ich danke dem Generaldirektor, Herrn Guy Ryder, der mich sehr freundlich eingeladen hat, diese Botschaft auf dem Gipfel über die Welt der Arbeit zu präsentieren. Diese Konferenz wurde in einem entscheidenden Moment der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einberufen, der für die ganze Welt gravierende und weitreichende Herausforderungen birgt. In den vergangenen Monaten hat die Internationale Arbeitsorganisation durch ihre regelmäßigen Berichte eine lobenswerte Arbeit geleistet, wobei sie unseren am meisten gefährdeten Brüdern und Schwestern besondere Aufmerksamkeit schenkte.
In der anhaltenden Krise sollten wir weiterhin dem Gemeinwohl unsere »besondere Sorge« widmen. Viele der möglichen und erwarteten Umwälzungen haben noch nicht stattgefunden, daher werden sorgfältige Entscheidungen erforderlich sein. Der in den letzten Jahren erfolgte Arbeitsstundenabbau hat sowohl zum Verlust von Arbeitsplätzen als auch zu einer Verkürzung der täglichen Arbeitszeit bei denjenigen geführt, die ihren Arbeitsplatz behalten haben. Viele öffentliche Dienste, aber auch Unternehmen, sind mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert, einigen droht die volle oder teilweise Insolvenz. Auf der ganzen Welt haben wir im Jahr 2020 einen beispiellosen Arbeitsplatzabbau erlebt.
Bei aller Eile, nach der Bedrohung durch Covid-19 zu einer höheren wirtschaftlichen Aktivität zurückzukehren, sollten wir die in der Vergangenheit praktizierte Fixierung auf Profit ebenso vermeiden wie Isolierung und Nationalismus, blinden Konsumismus und die Verleugnung der eindeutigen Signale hinsichtlich der Diskriminierung unserer »ausrangierten« Brüder und Schwestern in unserer Gesellschaft. Wir sollten im Gegenteil Lösungen finden, die uns helfen, eine neue Zukunft der Arbeit aufzubauen, die gegründet ist auf angemessene, würdige Arbeitsbedingungen; die aus Kollektivverhandlungen hervorgeht und die das Gemeinwohl fördert, eine Grundlage, welche die Arbeit zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Sorge für die Gesellschaft und die Schöpfung macht. In diesem Sinne ist die Arbeit wahrhaft und wesentlich menschlich. Darum geht es: dass sie menschlich ist.
RERUM NOVARUM (1891) und die Geburtsstunde der Katholischen Soziallehre
Am 15. Mai 1891 veröffentlichte Papst Leo XIII. das Rundschreiben RERUM NOVARUM. Das war die Geburtsstunde der Katholischen Soziallehre. Es war der Wille, als Kirche in eine neue Zukunft zu schauen, in der sich wirtschaftliche, soziale, politische und geistig-kulturelle Umbrüche ankündigten. Im Jubiläumsjahr 2021 blicken wir auf diese 130jährige Geschichte.
Die Veröffentlichung des Schreibens Rerum novarum von Papst Leo XIII. gilt als die Geburtsstunde der Katholischen Soziallehre. Doch wie bei Geburten üblich hatte sie eine lange „Schwangerschaft“.
Das 19. Jahrhundert war voller Umbrüche: Bisher lebte der Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft, ein kleinerer Teil von Handel und Gewerbe. Durch die Erfindung der Maschine kam es nicht nur zur Trennung von Arbeit und Kapital, sondern auch zur Zusammenballung von Arbeiter*innen. Damit war ein massiver wirtschaftlicher Umbruch gegeben, dem ein sozialer folgte.
Seit mehr als einem Jahr befindet sich unser Planet in einer gesundheitlichen und sozialen Krise, die uns alle betrifft. Allerdings sind nicht alle gesellschaftlichen Gruppen in gleicher Weise betroffen.
Die Arbeiterklasse, die Angestellten und die Beschäftigten sind den Ansteckungsrisiken am stärksten ausgesetzt. Die Sterblichkeitsrate in diesen sozialen Kategorien ist viel höher als in den wohlhabenderen.
Die Arbeiterklasse, die am meisten betroffen ist
Die Arbeitsbedingungen sind zunehmend schwieriger geworden, und die notwendigen Präventivmaßnahmen haben bei einigen Mitarbeitern, die ihre Aufgaben nicht aus der Ferne erledigen können, zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitsbelastung geführt. Für andere ist die Telearbeit eine aufgezwungene Maßnahme, die zu großem Druck, Isolation und weiterer Ausbeutung führen kann.
Demokratie lebt von positiven Erfahrungen des Miteinanders und der Beteiligung
Die Wurzeln
Der arbeitsfreie Sonntag hat seine Wurzeln im Judentum, und ist mit seinen sicher 2500 Jahren das wohl älteste Sozialgesetz der Menschheit. Die Krone der Schöpfung ist im biblischen Bericht von der Entstehung der Welt nicht die Erschaffung des Menschen, sondern das Ruhen Gottes nach der Arbeit am 7. Tag (Gen2, 1-3). Die Vollendung der Arbeit besteht in der Ruhe. Dieses Recht auf Ruhe wurde folglich allen zugestanden – Frauen, Männern, Knechten und Mägden, den damals rechtlosen Sklaven und Fremden, den Tieren und der Natur (Dtn 5,14). Im europäischen Bereich zählt der arbeitsfreie Sonntag zu den ältesten Kulturgütern, und müsste daher unter besonderem Denkmalschutz stehen – als Rechtsanspruch und Sicherungsnetz für Mensch und Natur vor Selbst- und Fremdausbeutung. Er steht in unserer heutigen Arbeitswelt für eine Grenze zwischen fremdbestimmter und selbstbestimmter Zeit. Jeder Mensch ist nach christlich-jüdischem Menschenbild mehr als das, was er leistet. Regelmäßig Zeit zu nehmen um dem guten Leben in einer Welt, die von ihrer Schöpfungsabsicht her gut ist, nachzuspüren, kann und soll dieses Bewusstsein unbedingter Menschenwürde stärken. Der Sabbat bzw. Sonntag ist der gesicherte Rahmen dafür.
Die Sitzung der Koordinationsgruppe der EBCA fand am 13. Februar 2021 statt. Die Umstände der Covid-19-Pandemie zwangen die Gruppe, sich online zu treffen, eine neue Herausforderung, die sie dazu bringt, auf eine andere Art und Weise zu arbeiten und die Zukunft der europäischen Bewegung zu planen. An dem Treffen nahmen die Präsidentin Olinda M. (Portugal) teil, Kaplan Josep J. (Spanien), Schatzmeister Armin H. (Schweiz), Koordinator Toni M. (Spanien), sowie Vertreter der Bewegungen aus Spanien (HOAC und ACO), Italien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz (KAB und CTC), Österreich und England, sowie Vertreter der WBCA-Weltbewegung Fátima C. (Portugal) Co-Vorsitzende, Mariléa D. (Brasilien) Generalsekretärin, Bernard R. (Frankreich) Kaplan und Philippe Ch. (Frankreich) Schatzmeister.
Es wurden die üblichen Tagesordnungspunkte besprochen sowie die Vorbereitung verschiedener Satzungsänderungen, die bei der für September 2021 geplanten Generalversammlung diskutiert werden sollen, die, wenn möglich, physisch in Lissabon oder online stattfinden wird.
"Tröstet, tröstet mein Volk" (Jes 40,1). Mit diesen Worten der Hoffnung und des Vertrauens aus dem Propheten Jesaja beginnen wir diese Weihnachtsbotschaft an alle Mitglieder der Bewegungen, die die EBCA bilden, in diesen schwierigen Zeiten, die unsere Welt und Europa durchmachen. Die COVID-19-Pandemie hat viele unserer Mitbürger schwer getroffen, sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich, und hat ihren Tribut bei denjenigen gefordert, die unter den schlimmsten Lebensbedingungen leiden. Außerdem sind viele europäische Bürger in unseren Ländern an den Folgen dieser Pandemie gestorben.
“Weil in der Herberge kein Platz für sie war" (Lk 2,7). Viele der prekären Situationen, unter denen viele europäische Bürger leiden, hat Jesus, der Sohn Gottes, bei seiner Geburt erlebt. Eine Situation der Armut, die in diesen Zeiten von vielen Menschen erlebt wird: entlassene Arbeiter, zerstörte Arbeitsplätze, kranke Menschen, psychologische Folgen, Todesfälle und andere Folgen, die uns als Individuen und als Gesellschaft verschlechtern.
"Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ" (Lk 2,15). Die Gesundheits- und Arbeitsbedingungen, die unsere Gesellschaft erlebt, rufen uns auf, uns der Krippe in Bethlehem zu nähern und in ihr Jesus zu betrachten, der inmitten unserer von Prekarität und Schmerz verwundeten Welt geboren ist. Deshalb wiederholen wir die Aktion der Hirten, wenn wir uns denen nähern, die am meisten unter dieser Pandemie leiden. Mögen Solidarität, brüderliche Liebe und das Schenken unserer Zeit die charakteristische Note unseres Besuchs an der armen und bescheidenen Krippe sein, die unsere Welt heute ist.
Am 16. Oktober 2020 hielt die EBCA ihre Jahreshauptversammlung ab. Diesmal wurde sie aufgrund der COVID-19-Pandemie telematisch abgehalten. Es nahmen Vertreterinnen und Vertreter von 11 Bewegungen aus 9 europäischen Ländern teil. Drei Vertreter der WBCA (Weltbewegung Christlicher Arbeiter) nahmen ebenfalls teil
Ein Höhepunkt war die Wahl des neuen Präsidenten. Olinda Marques, ein Mitglied der LOC-MTC-Bewegung in Portugal, wurde einstimmig als Nachfolgerin von Petr Koutný von der KAP-Bewegung in der Tschechischen Republik gewählt, der zwei Jahre lang Präsident gewesen war.
Darüber hinaus wurde über die Aktivitäten der EBCA und ihrer Mitgliedsbewegungen in der Zeit seit der letzten Generalversammlung berichtet, die im Oktober 2019 in Ostende, Belgien, stattfand.
Mit der Genugtuung, dieses brüderliche Treffen, wenn auch durch Bildschirme, abhalten zu können, haben wir uns auf die nächste Versammlung vorbereitet, die für September 2021 in Lissabon geplant ist.
Kommuniqué der Europäische Bewegung Christlicher Arbeitnehmerlnnen (EBCA) anlässlich des Europatages
Requiem für ein Europa, das sterben muss, eine Ode an ein erhofftes Europa
1. In diesen Tagen von Covid-19 sehen wir, wie sich die Gesellschaft und die Volks- und Arbeiterklassen in Netzwerken der Solidarität und gegenseitigen Unterstützung organisieren. Wir erleben eine Wiedergeburt des gemeinschaftlichen Handelns und der Aufmerksamkeit für die ungeschütztesten Menschen. Wir sehen, wie die harte Arbeit der Gemeinschaft des Gesundheitswesens jeden Tag anerkannt wird, die Zentralität der Hausangestellten und der Arbeiter, die sich um die Kranken und Abhängigen kümmern, der Heldentum so vieler Heiliger des täglichen Lebens, wie Papst Franziskus gerne genannt wird, trotz aller Schwierigkeiten und trotz der Tatsache, dass wir seit Zeiten mit dem Virus des Individualismus geimpft waren, und noch mehr seitens diesen räuberischen und brudermörderischen Kapitalismus, der uns an den Rand des Abgrunds gebracht hat.
2. Wenn also dieses menschliche Gefüge aus dem Kleinen wieder aufgebaut wird, mit vielen Tropfen der Liebe, Demut und Großzügigkeit, dann streben wir danach, diese Dynamik in den Instanzen, die uns regieren, und auch in den Unternehmen, in denen wir arbeiten, zu sehen. So schmerzt es uns zu sehen, wie in Europa und in den Gemeinschaftsinstitutionen die Regierungen der Mitgliedstaaten in ihrem eigenen Interesse eine Dynamik reproduzieren, die bereits in der Finanzkrise von 2008 vorhanden war, ohne weiter zu gehen, und die in dieser sehr ernsten Zeit überwunden werden muss.
An die Brüder und Schwestern der sozialen Volksbewegungen und -organisationen
Liebe Freunde,
Ich erinnere mich oft an unsere Treffen: zweimal im Vatikan und einmal in Santa Cruz de la Sierra, und ich möchte Ihnen gern sagen, dass diese "Erinnerung" mir gut tut und mich Ihnen näher bringt. Sie lässt mich an die vielen Dialoge während dieser Treffen denken und an die zahlreichen Hoffnungen und Träume, die dort geboren wurden und sich entwickeln konnten, und vieles von alldem wurde schließlich tatsächlich Wirklichkeit. Jetzt, mitten in dieser
Pandemie, denke ich in ganz besonderer Weise an Sie und ich möchte Ihnen gern nahe sein. In diesen Tagen, die von großen Ängsten und Schwierigkeiten geprägt sind, sprechen viele mit Kriegsmetaphern über die Pandemie, unter der wir leiden. Wenn der Kampf gegen COVID-19 ein Krieg ist, dann sind Sie eine wirkliche, unsichtbare Armee, die in den gefährlichsten Schützengräben kämpft. Eine Armee mit keiner anderen Waffe als der Solidarität, der Hoffnung
und dem Sinn für Gemeinschaft, der in diesen Tagen aufblüht, in denen sich niemand allein retten kann. Sie sind für mich, wie ich Ihnen schon bei unseren Treffen sagte, wahre soziale Poeten, die mit kreativer Kraft menschenwürdige Lösungen für die drängendsten Probleme der Ausgeschlossenen erdenken und umsetzen, die bis in die vergessenen Randgebiete unserer Gesellschaft hinein reichen.
Ich weiß, dass sie oft nicht die Anerkennung bekommen, die Ihnen gebührt, denn für das herrschende System sind sie wirklich unsichtbar. Die Lösungen der Marktwirtschaft erreichen den Rand der Gesellschaft nicht, und Hilfe und Schutz durch den Staat sind dort nur spärlich vorhanden. Auch Sie haben nicht die Mittel, die notwendig wären, um Ihre Aufgabe zu erfüllen. Man betrachtet Sie voller Misstrauen, weil Sie die bloße Philanthropie mit Hilfe der
gemeinschaftlichen Organisation überwinden oder weil Sie Ihre Rechte einfordern, anstatt nur resigniert zu warten, ob vom Tisch derer, die die wirtschaftliche Macht haben, vielleicht das ein oder andere Almosen zu Ihnen hinabfällt. Oft beißen Sie wütend und ohnmächtig die Zähne zusammen, wenn Sie auf die anhaltenden Ungleichheiten schauen, die selbst dann weiterbestehen, wenn es keine Ausreden mehr gibt, welche die Privilegien rechtfertigen könnten. Sie bleiben jedoch nicht in der Klage stecken: Sie krempeln die Ärmel hoch und arbeiten weiter für Ihre Familien, Ihr Umfeld und das Gemeinwohl. Diese Haltung, die ich bei Ihnen erlebe, hilft mir, fordert mich heraus und lehrt mich viel.
Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der COMECE und der KEK
im Kontext der COVID-19-Pandemie
LASST UNS VEREINT BLEIBEN
Dies ist die Zeit, unsere Verpflichtung zu den europäischen Werten zu zeigen
Die COVID-19-Pandemie und ihre verheerenden Konsequenzen sind mit voller Wucht über Europa und die ganze Welt hereingebrochen. Die gegenwärtige Krise stellt jede Person, Familie und Gemeinschaft auf die Probe und deckt Schwachstellen und vermeintliche Gewissheiten unserer Politik, unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaften auf.
Doch erlauben uns diese schwierigen Zeiten auch, unsere gemeinsame Menschlichkeit als Brüder und Schwestern neu zu entdecken. Denken wir an die zahlreichen Menschen, die jeden Tag Hoffnung verbreiten, indem sie Wohltätigkeit üben und Solidarität zeigen.
In großer Dankbarkeit beten wir für all jene, die ihren Mitmenschen mit Mitgefühl und Wärme dienen und sie aufopfernd unterstützen: Ärztepersonal, Pflegefachkräfte, Lieferanten der Grundversorgung, Ordnungskräfte – und in der Seelsorge tätige Personen. Wir beten für alle, die in dieser Krise leiden – insbesondere die Kranken, die Älteren, die Armen, die Ausgegrenzten und die Kinder in instabilen Familienverhältnissen. Wir denken in unseren Gebeten auch an alle verstorbenen Menschen.
Gebet für unsere verletzte Welt
Herr,
wir kommen zu Dir in diesen dunklen und harten Zeiten.
Wir kommen zu Dir, um Dir den Schmerz und den Tod zu erklären.
die die Pandemie verursacht, die unsere Völker dezimiert.
Und wir legen uns die Worte des Psalmisten in den Mund:
"Sprich zum Herrn: Du bist für mich Zuflucht und Burg,
mein Gott, dem ich vertraue.
Er rettet dich... aus allem Verderben...
unter seinen Schwingen findest du Zuflucht...
Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten...
nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht,
vor der Seuche, die am hellen Tag wütet. (Ps 91,2-6).
Herr,
Dir vertrauen wir in dieser Zeit, in der
so viele unserer Brüder und Schwestern völlig geschwächt,
die selbst in ihrem Fleisch den Schmerz
der Passion und des Todes von Jesus Christus, Deinem Sohn erleben an.
Die Europäische Bewegung Christlicher Arbeitnehmer (EBCA) bringt ihre volle Unterstützung für die Initiativen zum Ausdruck, die anlässlich des 3. März, des Internationalen Tages des freien Sonntags, durchgeführt werden. In diesem Jahr 2020 bietet die EBCA folgende Überlegungen an.
In der Arbeitswelt befinden wir uns in einer neuen Situation, die uns dazu auffordert, neue Wege der Brüderlichkeit, der Solidarität und der Sensibilität für Leid und Ungerechtigkeit zu eröffnen, damit Menschen existieren und leben können. Das soziale Modell, in dem wir leben und das hauptsächlich durch die Art und Weise geprägt ist, wie menschliche Arbeit konzipiert und behandelt wird, ist ein großes Hindernis für soziale Organisation und soziale Beziehungen und Institutionen, das zu begünstigen, was sie immer dienen sollten: dass die Menschen ihr Wesen verwirklichen und ihrer Würde entsprechend leben können, dass wir unsere Menschlichkeit als Abbild und Ähnlichkeit mit Gott verwirklichen können. Das ist es, was heute und für die Zukunft radikal im Spiel steht: dass die Menschen ihr Wesen verwirklichen und in ihrer Würde leben können, und es ist sehr wichtig, dass wir uns dieser Situation, in die uns das gestaltete Sozialmodell versetzt, wirklich annehmen:
Schlusserklärung des Seminars “Digitale Arbeit: Zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmung und dem Bedürfnis nach gesetzlichen Bestimmungen und arbeitsrechtlichen Regelungen “, stattgefunden vom 17. Bis 19. Oktober 2019 in Oostende (Belgien)
Ein menschenwürdiges Leben für ALLE im digitalen Zeitalter!
Die Bewegung der christlichen Arbeitnehmer*innen Europas (EBCA/ECWM/MTCE) hat vom 17. bis 19. Oktober 2019 in Oostende (BEL) zum Seminar mit dem Titel „Digitale Arbeit: Zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmung und dem Bedürfnis nach gesetzlichen Bestimmungen und arbeitsrechtlichen Regelungen“ eingeladen und 37 Vertreter*innen der Mitgliederorganisationen und darüber hinaus aus 11 europäischen Ländern sind der Einladung gefolgt und haben ihre Erfahrung und Perspektiven eingebracht.
Ergebnisse der Auseinandersetzung
Die Digitalisierung ist in vollem Gang, schreitet mit großer Geschwindigkeit voran und verändert unser Leben sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Sie ist ein Phänomen, das unsere ganze Gesellschaft betrifft und offensichtlich eine hohe Attraktivität besitzt, was ihre Entwicklung und Bedeutung befeuert. Dabei ist dieses Geschehen – wie viele andere auch – als ambivalent zu bezeichnen und wir verstehen unseren Auftrag darin, einen Beitrag zur Gestaltung dieses Prozesses zu leisten, indem wir ihn in seinen Grundsätzen verstehen, seine Auswirkungen aufgrund unseres Werthorizonts reflektieren und überlegen, wie und was wir als Akteure gestaltend dazu beitragen können. Uns ist es auch wichtig, einen selbstkritischen Blick auf die Verwendung der digitalen Medien zu werfen.
Es ist auffällig, dass im Hinblick auf die Digitalisierung ein Riss durch die Gesellschaft geht. Es gibt Menschen, die mit einer offenen Haltung die neuen Angebote nutzen und diese als Erleichterung wahrnehmen, andererseits gibt es auch eine große Zahl von Personen, die bisher kaum oder keinen Zugang zu den neuen Medien gefunden haben und aufgrund der umfassenden Bedeutung auch im öffentlichen und beruflichen Bereich Gefahr laufen, den gesellschaftlichen Anschluss zu verlieren. Dieses Problem verschärft sich dadurch, dass die Entwicklungen in ihrer Pluralität mit einer derartigen Geschwindigkeit fortschreiten, dass die politischen Akteure bisher kaum in der Lage sind, den Prozess regulierend zu gestalten, was die Situation der „Abgehängten“ besonders verschärft.
Die EBCA ist ein Zusammenschluss von christlichen Arbeitnehmer*innenbewegungen aus zehn europäischen Staaten. Wir bilden ein Netzwerk für ein sozial gerechtes Europa. Im Hinblick auf die Wahlen zum EU-Parlament, die vom 23. – 26. Mai 2019 stattfinden, legen wir zentrale Forderungen vor, die wir aus der Sicht der christlichen Soziallehre formulieren. Wir kommen so unserer Verantwortung als Bürger*innen der EU nach und bringen unsere Perspektive für ein friedliches und sozial gerechtes Europa in den politisch-gesellschaftlichen Diskurs ein.
Der Gratmesser allen politischen Handelns
Das Fundament unserer Überlegungen ist die Würde jedes einzelnen Menschen. Die Politik hat die wichtige Aufgabe diese Würde auf allen Ebenen zu schützen und zu fördern.
Konsequenzen und Anregungen
Aus unserer Sicht sind folgende Punkte für die Entwicklung unserer Gesellschaften im europäischen Kontext von entscheidender Bedeutung:
- • Die soziale Dimension der EU muss weiterentwickelt werden, damit die Mitgliedstaaten dem konkreten Menschen mit dessen Sorgen und Bedürfnissen gerecht werden. Mehr als 120 Millionen Menschen sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Jede und jeder einzelne davon ist ein konkreter Auftrag, diesen Umstand so schnell wie nur irgendwie möglich zu beseitigen.
- • Wir schließen uns den Forderungen der der Sozialkommission der COMECE an, die sie in ihrem Dokument "Die Zukunft der Arbeit gestalten" vom November 2018 vorgelegt hat. Der aktuelle Wandel soll nach den Kriterien der Menschenwürde (gerechte Arbeitsbedingungen, würdiges familienorientiertes Einkommen, ausgeglichene Arbeitszeiten), der Nachhaltigkeit, der Mitbestimmung und der Integration aller in den Arbeitsprozess gestaltet werden.
Im Sinne dessen fordern wir konkret:
- • die Schaffung und der Erhalt menschenwürdiger, sicherer und stabiler Arbeitsplätze ist ein vorrangiges Ziel der politischen Agenda, da prekäre Arbeitsverträge eine angemessene Zukunftsplanung verhindern, insbesondere bei der jüngeren Generation.
- • eine klare sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung für alle – auch für neue Formen wie die “Scheinselbständigkeit” – ist unbedingt erforderlich.
- • gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
- • die Festlegung von Mindeststandards durch die EU, um die schlimmsten Formen von Armut abzumildern und damit einen Beitrag dazu zu leisten, den fremdenfeindlichen Nationalismus und Populismus zu bekämpfen.
- • das lebenslange Lernen i. S. einer Befähigung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt aber auch i. S. einer Selbstermächtigung im bürgerschaftlichen Sinne zu unterstützen.
- • ausreichende Ruhezeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Voraussetzungen für eine langfristig gesunde Arbeit. Der arbeitsfreie Sonntag als gemeinsamer freier Tag ist für das Familienleben ebenfalls von zentraler Bedeutung.
- • dringende Maßnahmen von der Politik und der Zivilgesellschaft zum Schutz der Umwelt. Das Konzept des quantitativen Wachstums muss daher auch durch das Konzept des qualitativen Wachstums ersetzt werden.
- • größere steuerliche Gerechtigkeit, die Umverteilung gewährleistet, Armut bekämpft und Chancen für alle Menschen ermöglicht (z.B. durch die Einführung der Finanztransaktionssteuer).
- • wirksame Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Banken und Börsen im Dienste des Gemeinwohls stehen und dass die Verluste nicht auf alle aufgeteilt werden, während die Gewinne wenigen vorbehalten bleiben.
- • die EU und ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, auf die Not der Flüchtlinge zu reagieren, die Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten gerecht zu gestalten, legale Wege der Migration zu schaffen und konkrete Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung zu setzen. Die Menschenwürde hat universelle Gültigkeit und eine Politik der Abschottung wird dieser nicht gerecht.
- • die Absicherung und Förderung individueller und vor allem auch kollektiver Formen des Bürgerschaftlichen Engagements und die aktive Einbeziehung dieser Gruppen in den politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess. Dieses ist Ausdruck einer aktiven Zivilgesellschaft, die sich informiert, organisiert, engagiert und somit Werte und Haltungen für den demokratischen Diskus generiert.
Wir möchten an unseren Orten und in unseren jeweils konkreten Kontexten an diesem Friedensprojekt Europa mitbauen und bieten – außer unserer Perspektive – auch unsere Gesprächsbereitschaft, unsere Mitarbeit und unseren Beitrag sowohl im politischen als auch gesellschaftlichen Diskurs an.
Brüssel, März 2019
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